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Jan Tomasz Józefowicz, Das geplagte Lemberg im Jahre 1704

Das Tagebuch des Jan Tomasz Józefowicz (1662-1704), eines Lemberger Kanonikers, ist bislang nicht publiziert worden, obwohl es, vor 300 Jahren entstanden, zu den herausragenden militärhistorischen Dokumenten der altpolnischen Epoche zählt. Das Werk ist in einem beschädigten Autograph im Ossolineum in Breslau erhalten sowie in zwei Abschriften aus dem 18. bzw. 19. Jahrhundert im Zentralen Staatlichen Historischen Archiv in Lemberg (CDIAL). Es handelt sich bei diesem Dokument um den umfangreichsten und vollständigsten Bericht über die Belagerung und Eroberung Lembergs durch die Schweden im September 1704. Er wurde von einem Augenzeugen verfasst, der noch dazu in die Ereignisse involviert war. Das ist ausschlaggebend für die Glaubwürdigkeit und Genauigkeit der Aufzeichnungen. Józefowicz legte in dem kunstvollen Werk nicht nur ein überdurchschnittliches Talent als Historiograph an den Tag (er verfasste außerdem eine umfangreiche Chronik über die Stadt Lemberg), sondern auch die Fähigkeit, die historischen Ereignisse zu verallgemeinern. Der Text hat einen charakteristischen religiösen Rahmen, in den der Autor die "weltliche Geschichte" des Jahres 1704 einbettet. Religiöse Elemente universalisieren den Gehalt des Berichteten: Józefowicz interpretiert die Katastrophe der Stadt als göttliche Strafe für weiter nicht benannte Schuld der Einwohner der "Löwenstadt".

Die Handschrift umfasst mehrere Dutzend Seiten und gibt eine detaillierte Beschreibung der täglichen Ereignisse. Sie schildert die Zeit vom 6. September bis zum Ende des Monats. Die von den Schweden eingenommene Stadt ertrinkt im Blut, die Gotteshäuser sind entweiht, und die belagerten Einwohner werden zur Bezahlung ungeheurer Kontributionen gezwungen. Der Diarist schildert den Patriotismus der Lemberger, die König August II. von Sachsen die Treue hielten und Karl XII. tapferen Widerstand leisteten. Dabei kommen gegenseitige Streitigkeiten und Animositäten zwischen den 'Nationen' zum Vorschein, also zwischen dem polnischen, ruthenischen, armenischen und jüdischen Bevölkerungsteil, die für die von den Schweden verlangte Loskaufsumme "zusammenlegen" mussten. Doch auf der anderen Seite weckte die Notsituation angesichts der schwedischen Attacke und der gemeinsame Abwehrkampf auch Solidarität in der multiethnischen Metropole. Alle 'Nationen', die der Autor erwähnt, leisteten dem Feind tapferen Widerstand. Seiner Meinung nach wird die Festung eher wegen der geringen Truppenstärke und der inkompetenten adligen Führung eingenommen.

Die Kriegserinnerungen sind darüber hinaus ein Beweis für die barocke Kunstfertigkeit des Verfassers, der ein Stück weit die Dynamik seiner Schilderung von Kampf und Plünderung zugunsten vielfältiger stilistischer Kunstgriffe opfert: Wiederholungen, Metaphern, Aufzählungen, Parallelismen, Allegorie, Inversion von Ausdrücken im Satz, Ausrufe, Verwendung von direkter Rede (also die Worte der polnischen und schwedischen Hauptpersonen) usw. Józefowicz schreibt im üppigen, ornamentalen Stil der Barockzeit und zeigt dabei seine rhetorischen Fähigkeiten.

Die Publikation des Tagebuchs des Lemberger Kanonikers enthüllt also, wie es scheint, eine noch wenig bekannte Seite des Nordischen Krieges, der bis zur "Löwenstadt" reichte.

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