Auf zumindest zweifache Art hat sich Michał Bałucki in die polnische Kultur eingeschrieben: als Autor von Komödien, die auch gegenwärtig szenische Erfolge feiern, und — durch seine Biographie und die Thematik seiner literarischen Texte — als der hervorragendste "Krakauer" Autor vor Stanisław Wyspiański. Nur ganz Wenige — und wenn schon, dann im Sinne einer Sensation — können sich heute noch entsinnen, dass eben Bałucki der Autor des populären Liedes Góralu, czy Ci nie żal war. Mit einer Art Schamgefühl erinnert man sich manchmal daran, dass der lustige "Bałucki, der Stückchen schrieb" seinem Leben durch Selbstmord ein Ende setzte.
Der in den literarhistorischen Synthesen stets betonten Einschätzung des Autors, als eines der hervorragendsten und repräsentativsten unter Komödienautoren und Prosaikern der zweiten Hälfte des 19. Jh. entspricht keineswegs eine Fülle von Einzeluntersuchungen. Seit Jahren sind die Interpretationen wenig an der Zahl und beschämend einseitig. Der hundertste Jahrestag des Todes von Bałucki bot also eine folgerechte Herausforderung, um diesen Sachbestand zu ändern und mit Rückblick auf das gerade abgelaufene Jahrhundert einen neuen Bilanzversuch über das Schaffen des Krakauer Schriftstellers zu wagen. Die von den Forschern aus mehreren akademischen Zentren unternommenen Bemühungen erwiesen sich als ergiebig. Nach der Feststellung der biedermeierelichen Einflüsse stellte sich die Lyrik des Autors in einem neuen Licht dar. Die Bilanz seiner literarischkritischen Arbeiten hat erwiesen, dass der auf die Theaterpraxis orientierte Dramenautor über eine bemerkenswert solide theoretische Werkstatt verfügte und dass seine Urteile über das Theaterleben mit ihrer Vielseitigkeit überraschen. Vom Standpunkt der neuen theaterwissenschaftlichen Forschungen aus betrachtet hat sich gezeigt, dass die die Lösungen der Bühnenkonflikte des Komödienautors Bałucki, die bisher als stereotyp galten, mehrere vielfältige und unkonventionelle Ideen in sich bergen. Der vordergründig als Komödienautor bekante Bałucki interessierte viele Forscher als vergessener Prosaiker: ein Vertreter des literarischen Realismus, ein interessierter Beobachter der menschlichen Verhaltensweisen, innovativ auf der Sprachebene seiner Texte. Der Autor von durchdringenden und bitteren Kommentaren über die Gesellschaft Polens im 19. Jh., ein Künstler, ein Autor, der mit den anerkanntesten Prosaikern seiner Epoche verglichen werden kann.
In wieweit war er ein typischer Produkt seiner Zeit und in wiefern eine einzigartige Individualität? War er (und wenn schon, dann in welchem Ausma?) ein Vertreter des Positivismus, der Romantik oder vielleicht der Moderne? Wie stand der bürgerlichen Figur die polnische Adeligentracht in der damaligen bürgerlichen Welt? War Bałucki als Sprachrohr des damaligen Bürgertums dessen Apologet oder auch kritischer Betrachter und Gewissensstimme? Schrieb er, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder aus dem Gefühl heraus, im Dienste der Gesellschaft stehen zu müssen? Was hat verursacht, dass er — nachdem er sich von den literarischen Geschmäckern seiner Epoche abgewandt hat — lebensüberdrüssig wurde? Die hier genannten Problemkreise werden von den Autoren des vorliegenden Buches, das als eine gemeinsam verfasste Monographie angesehen werden kann, erwogen und gelöst.
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